Montag, 27. Januar 2014

12 Years a Slave - Kino das sprachlos macht. Mehr als eine Empfehlung.

Ich habe heute Abend geweint.
Ich habe heute Abend auch oft den Atem angehalten, meine Sprachlosigkeit gespürt, obwohl man im Kino ja eh nicht so viel redet. Hätte ich eine Begleitung gehabt, hätte ich sie oder ihn nur anschweigen können.
Wer nach Quentin Tarantinos "Django Unchained" gejammert, gehöhnt, gestönt und geschimpft hat, gehe in "12 years a slave". Wer Wahrheit und Wirklichkeit und Grausamkeit der Sklaverei, die vielen Gesichter der Weißen, die Abgründe, die Verzweiflung, den Hass und den puren Trieb menschlicher Niedertracht ohne die Groteske, die Tarantino zu eigen ist will: Bitte. "12 years a slave" ist grausame Wirklichkeit, ist grausam gutes Schauspiel, ist Abgrund pur. Wenn du mal denkst, es geht dir schlecht: schau auf Patsey, schau auf Solomon und all die anderen, deren Geschichte hier erzählt wird.
Solomon Northup, freier Schwarzer, der - wie unzählige - entführt, verschleppt und versklavt wird. Nach einem knappen Einstieg, der dem Kinobesucher zeigt, wie Solomons normales, gutes, FEIES Leben verläuft, wird jeder im Kinosaal mit einer kurzen überleitenden Sequenz in die Abgründe der Zeit der Sklaverei in den Südstaaten der Vereinigten Staaten geführt. Es bleibt nichts aus. So wie es unausgesprochene Sätze gibt, die keine Wörter bedürfen, gibt es in diesem Film ungezeigte Wahrheiten, die keiner direkten Bilder bedürfen. Manche Einstellungen klagen aus sich heraus, obwohl sie "nur" wunderschöne Natur zeigen.
Die schauspielerischen Leistungen von Chiwetel Ejovor (Solomon Northup) und Michael Fassbender (Plantagenbesitzer Edwin Epps) sind mehr als beeindruckend. Mitproduzent Bratt Pitt taucht in einer kleinen Rolle auf und überzeugt in den wenigen Momenten, in denen man ihn von Freiheit und Gleichheit der Menschen sprechen hört.
Die Geschichte ist eigentlich eine wie viele. Man kennt sie ja. So wie man die Geschichten des Holocaust kennt. Und doch. Steve McQueen erzählt sie anders. Hier spielt alles zusammen. Und auch wenn man mit dem Verstand weiß, dass auch jede fiktive Geschichte über die Sklaverei viel Wahrheit birgt, ist die Tatsache, dass dieser Film auf der Autobiographie des Mannes Solomon Northup basiert, etwas, was die Zeit und das Schicksal und die Grausamkeit noch lebendiger werden lässt.
Es ist Januar und "12 years a slave" ist mein Film des Jahres. Kein Film wird mich wohl so tief berühren, wie diese Geschichte. Der Wille zu leben ist etwas unglaublich kraftvolles. Was Solomons Geschichte erzählt, ist was neben dem Willen der Mut zu leben ist. Weiter zu leben. Weiter zu glauben. Weiter zu atmen. Weiter voll Würde zu sein.
Oskarnominierungen für besten Film, bestes Drehbuch, besten Hauptdarsteller, besten Nebendarsteller, beste Nebendarstellerin, bestes adaptiertes Drehbuch, beste Filmmusik, bestes Kostümdesign, bester Schnitt - soll er ruhig alles bekommen.

Meine Empfehlung: nicht verpassen! Da lohnt die große Leinwand. Und ruhig am Ende sitzen bleiben, bis sonst niemand mehr im Kinosaal ist. Und tief durchatmen. Und dankbar sein für alles Gute, was einem selber widerfährt.

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