Freitag, 8. Februar 2013

FLIGHT - von Höhenflügen und Abstürzen. Nicht nur ein Film. Leben.

Ich hatte einen Onkel. Er lebt nicht mehr. Gestorben ist er an seinem Küchentisch - sofern mir das richtig erzählt wurde, oder ich mich richtig dran erinnere. Er war nicht alt. Anfang 50. Er war nur 10 Jahre älter als ich. Am Ende seines Lebens konnte er nicht mehr so wirklich viel. Er ist dann auch einfach "nur" gestorben. Mein Onkel war Alkoholiker und abhängig von Tabletten, Heroin und anderen Drogen.
Warum schreibe ich darüber? Über so etwas Persönliches? Über etwas, was viele Menschen als peinliches Detail der Familiengeschichte betrachten? Nun, wegen FLIGHT. Und wegen Denzel Washington, der einen alkoholkranken Piloten spielt. Und wegen Kelly Reilly, die eine drogenabhängige Fotografin spielt. Und wegen Robert Zemeckis, der es geschafft hat, als Regisseur einen ECHTEN und glaubhaften Film zu machen. Nicht über einen Flugzeugabsturz. Sondern über Sucht. Über das Leben im Sog. Über Verlust. Darüber, dass suchtkranke Menschen gefangen sind in ihrem selbstgebauten Lebensgerüst aus Lügen und Verleugnung.
Meine Großmutter, die Mutter dieses Onkels, hat immer gesagt, er sei nicht wirklich abhängig, er könne aufhören. Er würde es schaffen. Sie hatte immer Geld für ihn. Sie hatte immer einen Platz auf ihrer Couch für ihn und sie hatte immer eine Entschuldigung - für ihn und für sich.
Kelly Reilly spielt im Film die Figur, die diese Rolle eben nicht einnimmt. Die Dinge beim Namen nennt und geht. Sie verkörpert die Möglichkeit des Ausstiegs - vielleicht etwas knapp von der Story her, aber gut. Nicole (Reilly) wird gezeigt, wie sie sich einen Schuss setzt. Das war die Szene, in der der Film für mich nicht mehr nur irgendein guter Film war. Auf dem Küchentisch meiner Oma lag immer ein Löffel. Ich weiß nicht warum, aber ich wußte sehr früh, wann der Löffel vom Teetrinken übrig war oder ob er von meinem Onkel war. Und ich erinnere mich an seinen Blick, wenn er high war.
Warum ich glaube, dass FLIGHT ein guter Film ist? Weil er ehrlich ist. Es gibt für mich eine Schlüsselszene für die Qualität des Filmes. Ich werde sie nicht verraten - denn es ist eine gute Szene, die ich niemandem vorweg nehmen will. Er ist auch ein guter Film, weil ich ihn mit meinen Augen und mit meiner Geschichte gesehen habe. Für andere mag es ein durchschnittlicher Film sein.
Denzel Washington ist für den Whip für den Oscar als bester Hauptdarsteller nomieniert. Eine gerechtfertigte Nominierung. Er spielt ihn gut. Den Alki. Er spielt ihn an der Grenze zur Sympathie.
Meinen Onkel fand ich immer sympathisch, ich fand ihn auch faszinierend. Und manchmal unheimlich. Ich habe ihn nie über seine Sucht sprechen hören. Dafür war ich - zu jung? (Was wohl Menschen dachten, die es gut meinten)
Ich empfehle jedem in diesen Film zu gehen. Er ist kurzweilig. Er ist ernst. Er regt zum Denken an. Vielleicht denkt ihr an konkrete Menschen, wenn ihr ihn seht. Scheut euch nicht, ehrlich zu sein.
Ich hatte auch einen Großvater. Auch er lebt nicht mehr. Von seinem Tod habe ich erst erfahren, als er schon lange beerdigt war. Er war ein wundervoller Opa als ich klein war. Als ich größer wurde hörte ich ihn einmal sagen "Ich bin kein Alkoholiker".

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