Sonntag, 6. Mai 2012

Henk Heithuis - eine Geschichte die bewegt?! Ja, sehr!

Ich habe Freitag bei Spiegel Online einen Bericht gelesen. Erst habe ich ihn gar nicht zu Ende gelesen. Er hat viele schwer zubeschreibende Stimmungen in mir hinterlassen. Es ist der Artikel Kastriert im Namen des Herrn von Benjamin Schulz. Schon beim Titel hatte ich Fragezeichen in den Augen. Merkmal meines inneren "Nein - nicht schon wieder. Nicht DAS". Erzählt wird die Geschichte von Henk Heithuis, gestorben 1958, 20 Jahre alt. Na, ist ja alles schon was her, denke ich.
Ich denke die ganze Zeit: ist das nun ein guter oder ein schlechter Artikel? Denke, das ist aber ein langatmiger Artikel. Der Artikel ist nicht schlecht und auch nicht langatmig: ich bin es, die ihn so schwer macht, durch die Gedanken, die er auslöst.
Henk Heithuis steht in Verbindung mit dem Bericht über Missbrauchsverbrechen in der niederländischen katholischen Kirche, der 2011 erschien ist, erarbeitet von Wim Deetmann (ehemaliger Bürgermeister von Den Haag), in Auftrag geben von der niederländischen katholischen Kirche.
Warum hänge ich so sehr an diesem Artikel? Es ist nicht die Missbrauchsthematik. Sie macht mich immer wieder sprachlos, heute ist es etwas anderes.
Die Geschichte Henk Heithuis´ trifft mich wegen ihrer eigenen Facette. Henk Heithuis lebt seit seiner Geburt in Heimen. Kath. Einrichtungen. Zu einer Zeit, als Heime noch etwas gänzlich anderes waren als heute. Wie wir heute wissen, war Missbrauch von Kindern durch Erzieher und Geistliche in katholischen Einrichtungen genauso verbreitet, wie in nicht kirchlichen Einrichtungen. Schlimm genug. Henk Heithuis zeigt den Missbrauch an, in einer Zeit als genau das sehr unüblich war! Und kommt wieder in eine Einrichtung: Psychiatrie (wieder ein katholischer Träger) und dann Krankenhaus. Heithuis Fall ist aktenkundig. Es ist belegt, was passiert ist. Im Krankenhaus wird Heithuis kastriert. Warum? Er wird, nachdem er seinen Missbrauch durch Menschen, deren Fürsorge er anvertraut war, angezeigt hat, vom Opfer zum Täter erklärt. Man ist zu der Überzeugung gekommen, der Junge habe die Priester und Betreuer verführt! Man war der Meinung, die Kastration würde ihm bei seinem "homosexuellen Problem" helfen. Man hat behauptet er sei schwul und deshalb kastriert!
Warum denke ich nicht, dass ist doch alles lange her? Es hat sich doch alles verändert?
Es hat sich nicht alles verändert. Homosexualität und der Umgang damit in MEINER Kirche, das ist das Thema. Was mich so bestürzt ist, dass es immer noch Menschen gibt, die behaupten und auch glauben, dass Homosexualität eine Krankheit ist, dass man "dagegen etwas machen kann". Dass man sie zu unterdrücken hat, wenn man sie wahrnimmt. Lust und Liebe gehören (noch immer) in ein festes Raster. Eines, dass sich so festgefahren hat, dass es auf viele Leben nicht passt. Die Kirche, in der ich mich so zu Hause fühle, schließt Homosexuelle von den Grundvollzügen des Glaubens aus - egal ob sie einen noch so tiefen Glauben haben! Die Kirche, in der sich so viel Gutes findet und Menschen sich gut aufgehoben fühlen können, verweigert auch geschieden Wiederverheirateten den Zugang zu den Sakramenten - und stellt aufrechten und tiefen Glauben ins Abseits kirchlichen Lebens.
Nein, es hat sich nicht alles verändert. Wir leben nur deutlicher, offener, medialer. Kritischer auch und die Menschen heute mit ihrem Leben ehrlicher als es früher möglich war. Homosexuelle können heute sagen, dass sie es sind ohne dafür verfolgt zu werden (na ja, Russland macht da gerade eine fragwürdige Kehrtwende), leben Beziehung, leben treu den Versuch ein Leben lang mit dem richtigen Menschen an der Seite glücklich zu sein. Und ja, auch schwule Männer und lesbische Frauen sind gläubige Christen! Die Gott erfahren haben. Als liebenden Gott. Als einen, der in ihrem Leben bleibt. Und wie erfahren sie Kirche?
Das ist das Thema,  das ein längst verstorbener Junge, der unsagbar unter Vertretern der Kirche gelitten hat, bei mir losgetreten hat. Es hat sich vieles verändert, in unserer Gesellschaft und auch der Kirche. Nicht jede Veränderung ist etwas Gutes. Nicht jede "Lockerung" schafft Bewußtsein. Ich weiß das alles.
Ich kenne genug Orte und Menschen, Priester und Laien, die mit den schwierigen Themen einen eigenen Umgang gefunden haben. Die Menschen Heimat geben können. Wenn ich sie nicht kennen würde, würde ich vielleicht nicht glauben, dass Gott seine ganz eigenen Wege geht. Und dass er jeden so nimmt, wie er ist.  Annimmt - ganz, nicht nur hier und da. Nicht unter bestimmten Voraussetzungen. Nicht nach Vorschrift. Sondern ganz und einfach so.

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,829437,00.html

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