Montag, 28. November 2011

Ein kleiner Schritt für die Oralchirugie ein großer Schritt für meine Psyche! Wenn der Zahnarzt zum Henker wird...

Es ist die Stunde der Wahrheit. Wer mich gut kennt, kennt auch eines meiner größten Probleme: Meine unbeschreiblich große Angst vorm Zahnarzt! Es ist egal, ob ich einer netten und vertrauenserweckenden Frau, einem charmant lächelnden Mann oder einem Wesen vom Schlag "Klemptner der Dentalgegend" gegenübersitze - Zahnärzte sind regelmäßig mein Untergang.
In diesem Fall schon seit zwei Wochen! Seit der Termin für die heutige Behandlung steht. Seit die Sprechstundenhilfe mir bei der Terminabsprache sagte: "Ja und dann brauchen wir noch einen Termin für die Fäden". DIE FÄDEN????
"Welche Fäden?" - "Na, die vom nähen, das ist nicht schlimm." - "wie - nähen?" - "ach, hat der Herr Doktor ihnen nicht erklärt, was er machen wird?" NEIN, HAT ER NICHT!!! Es folgt ein kurzer Vortrag, gespickt von Beteuerungen wie "nein, es tut nicht weh", "nein, das wird nicht schlimmer als das, was bisher war", "das geht auch total schnell".... danke!
Ich verlasse die Praxis an diesem Tag mit Knien, die schon als Vorleistung für den eigentlichen Behandlungstag zittern. Und erzähle nur wenigen Menschen von der Höllentour, die mir bevorsteht. Und für mich ist es genau das. Meine Therapeutin sagte "Sie haben ja eine Postraumatische Belastungsstörung". Na ja - ganz so krass will ich es nicht formulieren, hab ich doch weder einen Weltkrieg, noch ein Verbrechen oder eine Geiselnahme erlebt. Auch wurde ich von von politscher Haft oder Ähnlichem bisher verschont. Ich bin einzig auf den Mund gefallen! Und das als Kind. Man mag es kaum glauben.... aber daher rührt diese Besonderheit meiner Persönlichkeit. Ein Ereignis "nicht bedrohlichen oder katastrophalen Ausmaßes", ein traumatisierendes Ereignis mit fehlenden individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, dass mir heute Panikattacken, Schweißausbrüche, die Vorstellung, auf dem Behandlungsstuhl zu ersticken und sonstige Nettigkeiten beschert. 
Was soll ein Kleinkind auch tun, wenn es seiner Fähigkeit zu essen beraubt, mit teilweise nicht mehr vorhandenem Beißwerkzeug und netten kleinen Narben um den Mund herum, dem Pürierstab und einer wüsten Zahnärztin ausgesetzt ist? Klar: einen Schaden für´s Leben davon tragen! Erinnerungen sind großteils verdrängt, die Angst aber manifestiert. Und meine größte Bewunderung gilt dem dynamischen, begabten, immer freundlichen und hochverständnisvollen Zahnarzt der heute meinen Kiefer bearbeiten durfte... der meine "kleine persönliche Schwäche" mit soviel Verständnis und Wohlwollen als ganz normal akzeptiert, dass ich nicht mehr heulend und die Lippen zusammenpressend auf dem Behandlungsstuhl sitze, wie bei dem ein oder anderen seiner Kollegen.
Heute mache ich Atemübungen und versuche verzweifelt in meinen "sicheren Rückzugsraum" zu gelangen (ein wunderschöner imaginärer Raum an dem ich mich sicher fühlen soll - heute hatte jemand den Schlüssel versteckt). Habe Musik auf den Ohren und schaffe es aus einem Papiertaschentuch Flüssigkeitsreste aus dem Herstellungsprozess herauszuquetschen. Ich muss nach jeder Behandlung erst mal ins Wartezimmer zurück und meinen armen Beinen 10 - 15 Minuten Rekonvaleszenz zugestehen, meinem Kreislauf auf annehmbaren Level bringen und meine Gesichtsfarbe zurückerlangen. Heute hat mich dabei ein netter älterer Herr beobachtet, der besorgt gefragt hat, ob mit mir alles in Ordnung sei! Ja, passt schon. Ich danke für heute der freundlichen sms-Nachfrage einer lieben Freundin, ob ich ES überstanden habe, dem mutgebenden Satz meines Besten "Du packst das" und der netten Reaktion auf eine überlebenswichtige Weich-Ei-sms "schön, dass du es überlebt hast". Ja - für´s Erste! Mama, Papa - ich hab euch lieb, aber diese Zahnärztin werde ich euch nie verzeihen!

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