Samstag, 24. September 2011

Begeisterung? Persönliches - Angeregt durch den Papstbesuch

Es treibt mich jetzt schon seit zwei Tagen um... und ich komme wohl um das Thema nicht herum. Jeden Abend lese ich Berichte über den Besuch des heiligen Vaters in Deutschland. Der Papst ist hier. Oberhaupt der Katholischen Kirche. Charismatische Führungspersönlichkeit mit roten Schuhen.
Ich sollte als Katholikin einstimmen in diese Euphorie, die ich wahrnehme, aber es will mir nicht gelingen. Ich komme nicht heran an die Gefühle deren, die im Berliner Olympiastadion Fahnen in Vatikanfarben schwenken oder zu Fuß zur Marienvesper pilgern. Nichts zieht mich derzeit dahin, wo sich Gläubige in gemeinsamem Jubel, Gebet und - ja auch das - katholischem Personenkult versammeln.
Gestern Abend, als ich mehrere Reportagen, Erfahrungsberichte und nüchterne Stücke deutschen Journalismus gelesen habe, hatte ich ein Gefühl, dass dem der Beklemmung am ehesten nahe kommt. Wenn ich heute Abend dann lese, dass Papast Benedikt sich mit Missbrauchsopfern in Erfurt getroffen hat, flammt etwas in mir auf. Etwas, was hoffentlich diesem unguten Gefühl, das mich selbst in seiner Stärke erschrocken hat, etwas entgegenzusetzen hat. Ich bin aus tiefstem Herzen gläubige Christin. Ich bin auch aus tiefstem Herzen Katholikin. Aber ich gestehe, ich hadere. Mit dieser Kirche, mit Vorgehensweisen, mit mangelnder Bereitschaft zu echter Auseinandersetzung. Mit dem Geruch des Moders der Jahrhunderte. So, wie ich in meiner politischen Meinung noch nie Verständnis und Toleranz gegenüber dem rechten Rand hatte, tue ich mich auch im kirchlichen Spektrum schwer mit den konservativen Kräften in meiner Kirche. Ich arbeite in dieser Kirche und könnte mir keine bessere Arbeit für mich vorstellen. Aber diese Arbeit bringt mich Tag für Tag mit Menschen und ihrem Leben zusammen. Und so oft klafft eine Lücke zwischen dem, was real ist und dem, was die Kirche lehrt. Zwischen dem, was lange Gültigkeit hatte und aus gewichtigen und auch einmal richtigen Gründen entstanden und eingegangen ist in die Lehre der Kirche und dem, was Antwort auf heutiges Leben sein könnte - müsste?
Ich merke, das ist sprachlos bin, wenn der Papst sagt, das Selbstverwirklichung nicht das Ziel des Menschen sein soll - wir sollen "uns nicht selbst machen". Aber wir müssen in dieser realen Welt den Spagat hinbekommen, uns nicht "von anderen machen zu lassen". Selbstverwirklichung erhält einen ausschließlich negativen Touch - warum? Menschen werden mehr zum Mensch wie Jesus ihn wollte, wenn sie lernen sich selbst ernst und wahr zu nehmen und in die Wirklichkeit ihres Lebens zu stellen!
Wenn Bischof Zollitsch einen barmherzigeren Umgang mit geschieden Wiederverheirateten fordert, horche ich dankbar auf und werde wieder still, wenn Erzbischof Meisner dagegensetzt, die Unauflöslichkeit der Ehe sei völlig indiskutabel. Was sagt unser Bundespräsident dazu? Überzeugter Katholik und geschieden wiederverheiratet, ausgeschlossen von den Sakramenten der Kirche?
Wie sich wohl Klaus Wowereit neben dem Papst gefühlt hat? Er, der eine Beziehung und eine Sexualität lebt, die die Kirche nicht toleriert. Von der Kirchenmänner sagen, man könnte sie "behandeln". Therapien gegen Schwulsein.
Was mag in Kardinal Lehmann vor sich gehen, wenn Erfurt ohne Zeichen bleibt? Er, der um die Ökumene ringt seit so vielen Jahren....
Es gibt so viele Felder, so viele Themen, so viele Baustellen und es sieht aus, als würden die Steine, die dem Um- und somit Wiederaufbau dienen sollten nur von rechts nach links gedreht. Oder eher von links nach rechts? Als würde sich nichts bewegen... Man wird müde bei so vielen kleinen Schritten, vor allem, wenn man manche Aussage oder Begebenheit als Schritt zurück erlebt. Wie eine Messe, die teilweise in lateinischer Sprache gefeiert wird. Das weltkirchliche Argument kann in Deutschland ja nicht greifen. Der Papst hätte ruhig die ganze Messe in seiner Muttersprache feiern können - ich hätte es begrüßt. Ich bin fast 43 Jahre und nicht mit Kirchenlatein aufgewachsen. 
Nein, ich jubele nicht. Ich mag Benedikt. Ich fand es richtig, dass er im Bundestag gesprochen hat. Ich erinnere mich, wo ich war und mit wem, als dieser Mann zum Papst gewählt wurde. Ich war gespannt. Er hat als Mensch meine Sympathie, aber ich werde nicht in Verzückung geraten.
Ich liebe meine Kirche, aber mit Bedauern sehe ich ihre bunte Vielfalt verblassen. Weil ich das Gefühl nicht los werde, dass einige Farben verloren gehen, weil sie ihre Schönheit und Eigenständigkeit, ihren anderen Ton und ihre eigene Intensität im Zusammenspiel mit den Grundfarben nicht platzieren können. Und es ist doch soviel Sehnsucht da, nach bunter Vielfalt. Nach Heimat in dieser Vielfalt. Aber die Pforte zu dieser Heimstatt wird immer enger.
Ich werde beten, um den Mut zur bunten Vielfalt. Und um Mut für alle, die die Grenzen unserer Kirche schmerzlich im eigenen Leben spüren, damit wir nicht müde werden unseren Platz zu behaupten.

1 Kommentar:

  1. http://taz.de/Auftritt-des-Oberhauptes-des-Jedi-Ordens/!78613/

    :-)

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